GOTO Berlin 2016

Inzwischen ist die GOTO in Berlin zu einem festen Ereignis im Jahr geworden. Auch dieses Jahr haben wir uns von sehr guten Vorträgen und Keynotes inspirieren lassen. Die Konferenz, die sich an Entwickler, Softwarearchitekten und Projektmanager richtet, hat einen neuen Veranstaltungsort. Das bcc, direkt am Alexanderplatz, bot ausreichend Platz für vier parallele Tracks, in denen die wichtigsten Trends der Software Community diskutiert wurden. 

Montag

Am Montag eröffnete die bekannte Sprecherin Linda Rising mit der Morning Keynote: Who do You Trust? Beware of Your Brain die GOTO Berlin. Youtube

Linda Rising erklärte, dass jeder Mensch Vorurteile hat. Vorurteile und Stereotypen können selbst-erfüllend werden, dadurch dass sie unseren Umgang miteinander und uns selbst prägen. Wir geben jedem Ding, jedem Tier und jeder Person ein Label. Dieses Verhalten hat uns geholfen, bis heute zu überleben. Jedoch ist dieses Vorgehen im Projektalltag und Umgang mit Teammitgliedern und Kunden nicht mehr zeitgemäß. Daraus können wir schlussfolgern, dass wir keine besten Freunde werden müssen, um gut als Team zusammenzuarbeiten. Respekt und fairer Umgang reichen völlig aus.

In dem Vortrag Postcapitalism von Jamie Dobron ging es darum, wie Software, insbesondere Open-Source-Software, nicht nur die Welt auffrisst, sondern auch den Kapitalismus selbst von innen heraus verzehrt. Automatisierung, Big Data und Künstliche Intelligenz werden viele Arbeitsplätze überflüssig machen. Es ist ein “Race to 0 cost per item”. Open Source macht das gleiche mit der Software Industrie. Wir brauchen eine neue Gesellschaftsordnung, denn der Kapitalismus wird in seinen Augen nicht mehr funktionieren.

Born for IT? – How the image of software developers came about

Birgitta Böckeler gibt einen historischen Abriss darüber, wie in den 1960 und 70ern Einstellungstests und verschrobene Vorstellungen davon, was einen “guten Programmierer” ausmacht, das gesellschaftliche Bild der Programmierer auch heute noch prägen und wie man dagegen vorgehen kann. Siehe dazu auch Stop Acting So Surprised: How Microaggressions Enforce Stereotypes in Tech von Livio De La Cruz

Mixed Reality with Microsoft HoloLens

In seinem  Vortrag gibt Philipp Bauknecht eine Einführung in Hologramme und die Hardware von HoloLens sowie Einblicke in realistische Projekte, welche bereits damit erstellt wurden. In einer Live-Demo konnten sich die Interessierten selbst von den Ergebnissen überzeugen. Neben der Vorführung der Hardware, wurden auch in die Programmierung eingeführt. HoloLens stellt ein komplettes Windows 10 bereit, was zum Beispiel das freie Positionieren von Fenster im Raum ermöglicht. Demogeräte für eine neue Kategorie von Produkten werden für 2017 erwartet.

Der Vortrag von Jeffery Hackert Ethics in a Distracted World eher Gruppentherapie als Vortrag.

Seiner Meinung nach ist fast unmöglich geworden ein produktives Umfeld zu schaffen, in dem es keine Ablenkungsmöglichkeiten gibt. Man sollte daher ein Gespür dafür entwickeln, wie man Aufmerksamkeit begünstigen kann.

Ein sehr inspirierender und gut gemachter Talk war Building Theories is Building Value von George Fairbanks. Seine vielen Beispiele veranschaulichen Konzepte und Ideen sehr gut. Initial dachte man, allein die Hardware ist wichtig und Software quasi nur der Fülltext. Wie in einer Zeitung braucht man nur fähige Autoren. Heute ist klar, die Software ist das Entscheidende. Wir schreiben keine Texte sondern erfinden Theorien für ein Programm. Mit jeder neuen Anforderung sollten wir prüfen, ob unsere Theorie noch zur Anwendung passt. Quellcode ist unser gemeinsamer Notizblock, der dabei hilft, die Theorien zu fassen und das Verständnis zu teilen. Konzepte müssen im Team bekannt sein.

You Can Use CSS For That! war ein leidenschaftlicher Vortrag von Rachel Andrew über einige neue CSS Operationen und Mechanismen. Viele der präsentierten Weiterentwicklungen werden schon von allen modernen Browsern unterstützt. Rachel Andrew ist selbst aktiv im Standard-Komitee, leider konnte der Enthusiasmus nicht so recht aufs Publikum überspringen.

Prof. J. Mark Bishop bot mit Deep Stupidity: What Neural Networks Can and Cannot do… einen weniger inspirierenden Vortag, als der Titel es vermuten lies. Er präsentierte etliche Beispiele zu guten sowie schlechten Fails in der KI um aufzuzeigen, dass KI kein wirkliches Verständnis von dem was es tut bekommt. Damit sie sinnvoll einsetzbar wird, ist unsere Kreativität gefragt. Er vertritt die Meinung, dass es nicht abzusehen ist, ob KI zur Selbstwahrnehmung fähig sein wird.

Das Highlicht des ersten Tages war The Error of Our Ways von Kevlin Henney.

Ein interessanter Vortrag über Software-Fehler, wie diese die Illusion eines gekapselten Systems durchbrechen (sichtbare Fehlermeldungen) und welche Folgen sie für Gesundheit, Finanzen und Gesellschaft haben können (High Frequency Trading, Medizinische Mustererkennung, Klimastatistik mit fehlerhaften Excel Sheets). Sein Credo: “We shape our algorithms and afterwards our algorithms shape us.” Der Vortrag ist auf Youtube verfügbar.

Die Keynote Neuro-diversity and software development: Why the tech industry needs all kinds of minds and how we can support them von Sallyann Freudenberg postuliert: Wir sind alle etwas “Nerdy” und Special Snowflakes. Die Kunst besteht darin, für jeden einen individuellen Weg zu finden. Die Keynote steht auf Youtube zur Verfügung.

Anschließend gab es ein “GOTO Gathering” im Kongresszentrum. Trotz oder gerade wegen der Musik waren 20:30 Uhr nur noch ca. 20 der 750 GOTO Besuchern da. Wir hatten trotzdem viel Spaß und sind dann in die Cocktailbar eines der Hotels weiter gezogen.

Dienstag

Am Dienstag eröffnete Mary Poppendieck die Konferenz mit dem morgendlichen Keynote The Future of Software Engineering

Mary_Poppendieck

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)

Darin diskutierte sie, wie das Software-Engineering durch die aufkommenden digitalen Technologien verändert wird und gab Ratschläge, wie man in Zukunft Software Entwicklung gestalten soll. Scale out, statt Scale up. Experimente, Continuous Deployment u.v.m. Ihre Botschaft: “Ohne Microservices werden wir alle untergehen” – daher müssen wir diese lernen. Die gesamte Keynote auf Youtube

Mit vielen handgemalten Bildern erklärte Martin Kleppmann in Conflict Resolution for Eventual Consistency sehr anschaulich das Grundprinzip von CRDT Ansätzen. Insgesamt bot er eine gute Einführung in das Thema. Robuste Konfliktlösung wurden diskutiert und ein JSON Datenmodell mit Eventual Consistency vorgestellt. Sein Fazit: Die Strategie der Konfliktlösung muss fast immer für den konkreten Anwendungsfall angepasst werden.

In Container and Microservices Security stellte Adrian Moust verschiedene Probleme mit Docker Containern vor. Daneben zeigte er Werkzeuge zur Sicherheit und für Gegenmaßnahmen bei Angriffen auf. Zentrale Aussagen von Ihm waren unter anderem, dass der Container Root der Host Root sein sollte und VMs dabei helfen können. Attacken lassen sich durch Read Only Mounts verhindern. Auch stellt er Subscribe to Rebuild vor, um über ein Base Image Änderungen an die VMs zu propagieren. Seine Empfehlung für den Umgang mit kompromittieren Containern: Isolieren statt abschalten.

Michael Hunger bot in Enabling the Panama Papers Investigations with Open Source Tools eine interessante Zusammenfassung des Werdegangs der Ermittlungen und die erstaunliche Zusammenarbeit der Journalisten. Aufbereitung von Graph Daten für die Recherche mit Neo4J erleichtern die Arbeiten dabei ungemein.

Leadership at Every Level von Liz Keogh war ein guter Vortrag darüber, wie man Entwicklungsprozesse im Team besser gestalten kann. Sie gab eine kurze Einführung in das “Cynefin-Framework”. Ihrer Meinung nach müssen agile Prozesse Safe-to-fail statt Fail-Safe sein.

In Avoiding the ‘Dark Side’ of Collaboration: Coaching Techs & Execs wurde gezeigt, das Projekte immer schneller werden (Continous Delivery), unsere Hierarchien dabei aber im Weg sind. Wir brauchen mehr Zusammenarbeit und weniger Blockaden. Das Team ist größer als der CEO. Alte Führungsrollen funktionieren nicht mehr, das Team muss gestärkt werden. In ihrem Vortrag greift Katherine Kirk auf ihre Erfahrungen als “alternativer Agile / Lean Coach” zurück und nutzte östliche und trivial-philosophische Modelle, um drei sehr einfache Wege aufzuzeigen, wie sie die “dunkle Seite” der Zusammenarbeit in Schach hält und konsequent anstrebt ein Zusammenarbeits Nirvana zu erreichen.

Am Abend hielt  Carina C. Zona die Keynote Consequences of an Insightful Algorithm unter dem Motto: #DataMiningFail. Zur Zeit bieten viele Interaktionen, die auf Data Mining Algorithmen aufbauen, nicht einmal Opt-Out Möglichkeiten. Diese konsequent durch Opt-In zu ergänzen, würde viele Peinlichkeiten ersparen. Nicht alle Ereignisse sind positiv besetzt. Entwickler sollten nicht durch die “rosarote” Brille schauen sondern mehr Verantwortung für den Kunden übernehmen.

Aus unseren Beschreibungen lässt sich herauslesen, dass die GOTO eine Konferenz ist, die den Blick über den Tellerrand als ihre Kernkompetenz ansieht. Wieder standen viele der Vorträge unter dem Gesichtspunkt der Kollaboration zwischen Menschen oder Computern untereinander sowie zwischen Computern und Menschen. Die GOTO-Konferenz plädiert damit auf spannende Art für eine Informatik, die ihre Rolle in der Gesellschaft verantwortungsvoll einnehmen sollte, anstatt sich als eine ewige Disziplin der Außenseiter zu sehen. Wir kommen auf alle Fälle wieder!

Attachments:

Birgitta_Böckeler

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)


Jeffery_Hackert

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)


Kevlin_Henney

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)


Linda_Rising

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)


Mary_Poppendieck

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)


Philipp_Bauknecht2

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)


Sallyann_Freudenberg

(Bild Quelle: GOTO Conference 2016)

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